Das erste Mal Frankreich zwischen Parfüm und Gambas

Ich sitze gerade an Silvester hier und lasse meine Gedanken übers Karpfenangeln Revue passieren. Dabei kommt immer der Gedanke an meinen ersten Trip zum heiligen See.
Anfang 2018 und auch wie jedes Jahr gingen mir die Gedanken durch den Kopf: An welchem Gewässer werde ich angeln. Diesmal entschied ich mich das erste Mal an ein öffentliches Gewässer in Frankreich zu fahren. Die Recherche dauerte nicht lang, denn es gibt ein sehr bekanntes Gewässer, an dem ich angeln wollte: Der Lac de Saint Cassien. Naja, ganz ohne Recherche ging es nicht los, denn ich wollte mich nämlich bestens vorbereiten. Vorbereitung ist das A und O. Ich schaute mir all möglichen DVDs an und löcherte einige Freunde nach Infos aus. Sämtliche Berichte habe ich durchgelesen, doch einen 100% Plan hatte ich nicht. Das war auch gut so. Warum dazu komme ich später.

Lac de Saint Cassien

Das einzige was ich zu 100% planen konnte, war meine Köderauswahl. Ich packte 10kg vom Ciric Milk in 16mm und ein Eimer Tigernüsse ein. Mehr passte in meinen Kombi nicht rein, denn ich reiste nicht alleine runter. Die Zeit unten wollte ich nämlich mit meiner Frau verbringen und da musste einiges an Gepäck mit. Warum unbedingt den Ciric Milk? Da ich hauptsächlich Instant angle und den Welsen aus dem Weg gehen wollte, setzte ich auf einen Milchproteinköder, der nicht allzu auffällig in der Farbe ist.
Mitte August war es soweit, die 1250km kamen mir ewig vor. Doch als ich das kristallklare Wasser vom Südarm sah, wusste ich warum so viele Angler die tausende Kilometer runterpilgern. Die erste Fahrt über die Brücke und der Blick in den Nordarm waren einfach unglaublich. Wir fuhren einige Kilometer weiter, denn wir hatten uns eine Ferienwohnung gemietet und wollten somit nicht nur Angeln sondern auch das Land besser kennenlernen.

Lac de Saint Cassien

Am nächsten Tag ging es los. Nachdem wir ausgeschlafen hatten, gingen wir den ersten Tag gemütlich an. Ich suchte mir ein schönes Plätzchen im Kreuz aus und wollte erstmal die Lage checken. Schnell merkte ich, dass sehr viele Angler unterwegs waren. Da uns in der ersten Nacht die Mücken zerstochen hatten, fuhren wir spät Nachmittags in den Supermarkt und rüsteten uns mit Antimücken Spray ein. Am Abend zerbrach ich mir den Kopf, wo es am nächsten Tag hingehen sollte. Als ich morgens an der Slippe mein Boot belud, entschied ich mich zum Rotkelchenplatz zu fahren. Da stellte ich fest, dass sich doch nicht jeder an das Nachtangelverbot hielt. Nach einem erfolglosen Tag fuhr ich am Abend zurück und fütterte eine Stelle weiter oberhalb vom Nordarm mit einigen Boilies und Tigernüssen. Komischerweise war nicht viel los an der Slippe. Warum merkte ich am nächsten Tag, denn wie am Tag zuvor waren noch mehr Angler über Nacht geblieben und mein favorisierter Platz war auch noch dazu besetzt. Meine Motivation war nicht mehr so euphorisch wie am Anfang, also entschied ich mich am nächsten Tag mal auszuruhen und das Land Frankreich zu erkunden.
Wir fuhren runter zur Cote de Azur und genossen das kristallklare Meer und die Sonne. Nach einem Spaziergang durch Grasse wusste nun auch wir warum das die Stadt des Parfüms ist. Überall verläuft ein schwarzer Schlauch und versprüht Rosenduft. Einfach unglaublich.

Auf dem Rückweg nach Hause machte ich mir schon wieder Gedanken welche Stelle ich befischen möchte. Ich entschied mich für den Westarm. Doch auch dieser Arm war voll mit Angler und somit war ein ruhiges Angeln auch nicht möglich. Leicht frustriert am nächsten Tag telefonierte ich mit Thomas. Seine Worte waren „Schau wo die letzten Tage kein Angler waren und setz dich dann auf diese Stelle“. Mit diesem Rat fuhr ich die nächsten Tage zum See und beobachtete das Geschehen. Schnell merkte ich, dass der Südarm am wenigsten beangelt wurde und somit fiel die Entscheidung die letzten Tage im Südarm zu verbringen. Ich ging die letzten Tage gelassener an, denn es war ja schließlich auch Urlaub angesagt. Doch eines Abends blieb mir der Atem weg. Als es zu Dämmern begann, fingen genau die Fische über meinem Spot an zu springen. Und was für welche 20kg+. So ein Spektakel hatte ich zuvor noch nie gesehen. Völlig verwirrt packte ich rechtzeitig meine Sachen ein und verließ den See pünktlich.
Am darauffolgenden Tag war wieder eine Citytour geplant. Wir fuhren runter nach Cannes und schauten uns die Filmstadt an. Besonders empfehlenswert sind die Gambas dort, die es an den Strandpromenaden gibt. Einfach unbeschreiblich lecker. Am Abend fuhren wir nochmal zum See, denn ich wollte den Platz vom Vortag etwas anfüttern. Die Fische vom Vortag gingen mir einfach nicht aus dem Kopf.

Der letzte Morgen brach an. Schon beim Beladen des Bootes merkte ich irgendwie stimmt heute alles. Bis heute weiß ich nicht warum ich dieses Gefühl hatte, aber es hatte was. Am Platz angekommen, montierte ich meine vorbereiteten Rigs. Hochkonzentriert legte ich meine Ruten ab. Als ich gerade die dritte Rute legen wollte, schrie mich meine Frau vom Ufer an. Als ich mich umdrehte, konnte ich es kaum glauben: Sie war am drillen. Ohne lange zu überlegen paddelte ich mit Vollspeed zurück und übernahm die Rute. Ich stieg ins Boot und ließ mich vom Fisch langsam ziehen. Als ich über dem Fisch war, merkte ich wie langsam die Nervosität stieg und in meinem Kopf nur eins war: bloß nicht den Fisch verlieren. Nach mehreren Fluchten kam der Fisch zum ersten Mal zum Vorschein und mir blieb der Atem weg. Denn so einen großen Fisch hatte ich noch nie gefangen. Plötzlich war es soweit der Fisch war ausgedrillt und ich konnte ihn Keschern. Dieses Glücksgefühl ist einfach unbeschreiblich geil. Ich konnte es einfach nicht glauben. Ein kleiner Traum ist in Erfüllung gegangen. Nach der Fotosession legte ich die Ruten neu. Jetzt dachte ich mir, alles was noch kommt ist Bonus und dieser Bonusfisch kam. Kurz nach dem eincremen gab dieselbe Rute von morgens einige Pieper von sich, die sich zu einem Dauerton entwickelt hatten. Ich schnappte die Rute und kurze Zeit später lag auch dieser Fisch im Kescher. Und was für ein Fisch. Eine richtige Cassienschönheit. Ich konnte es einfach nicht glauben zwei Fische an einem Tag zu fangen. Nach diesem Fisch tat sich leider nichts mehr und wir nutzten das schöne Wetter zum Schwimmen, den am nächsten Tag stand die Heimreise an.

Zum Abschluss möchte ich darauf zurück kommen, warum ich froh bin nicht vorher alles ins kleinste Detail geplant zu haben. Wenn du das erste Mal vor Ort bist, bist du einfach nur geflasht und die Gier einen Fisch zu fangen ist groß. Überwältigend groß.
Du denkst du musst anders angeln, komplizierter, effektiver und flexibler. Du versteifst dich in deinen Gedanken. Ratterst deinen Plan von oben bis unten einfach nur ab. Doch halt Stopp. Warum muss ich hier unbedingt anders angeln? Ich muss mich den Bedingungen Tagangeln anpassen. Das ist Fakt. Ansonsten ist es auch nur ein großer Stausee. Habt keine Angst vor der Größe des Sees und geh einfach deinen Weg. Nimm den ein oder anderen Ratschlag mit auf den Weg. Doch vor Ort musst du selbst auf dich und deinen Instinkt hören. Den das ist was zählt.

In diesem Sinne wünsche ich euch für das Jahr 2021 nur die dicksten Fische am Wasser.
Bis bald
Rudi

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