Diese Frage beschäftigt viele Angler und wird in zahlreichen Foren, Fachberichten und Videoformaten intensiv diskutiert. Dennoch bezeichnen wir in unseren Boilie-Beschreibungen bestimmte Ranges nach wie vor als Ganzjahresköder. Doch was bedeutet das konkret? Gibt es den einen richtigen Weg – oder ist die Wahrheit differenzierter zu betrachten?
In den folgenden Abschnitten möchte ich genau diesem Thema auf den Grund gehen. Ziel ist es, die unterschiedlichen Ansätze nachvollziehbar darzustellen und ein besseres Verständnis dafür zu schaffen, warum man pauschale Aussagen in diesem Bereich mit Vorsicht genießen sollte.
Futterwahl im Wandel der Jahreszeiten – was dem Karpfen wirklich Mehrwert bringt
Beim Karpfenangeln sollte man sich stets die Frage stellen: Was bringt dem Karpfen zu welcher Jahreszeit, abhängig von der Wassertemperatur, den größten Mehrwert? Ebenso entscheidend ist der Blick auf die natürlichen Nahrungsquellen im Gewässer. Denn je wärmer das Wasser wird (bis zu einem gewissen Grenzwert), desto aktiver wird der Karpfen – sein Stoffwechsel steigt, und damit auch die Nahrungsaufnahme. Gleichzeitig nimmt das Nahrungsangebot im Gewässer zu: Tubifex, Muscheln, Schnecken, Käfer und andere Kleinstlebewesen – allesamt reich an hochwertigen Proteinen.
Doch auch ein Karpfen kann eine Art Übersättigung erleben – ähnlich wie beim Menschen. In solchen Phasen kann es sinnvoll sein, gezielt auf kohlenhydratreiche Boilies umzusteigen. Diese stellen eine bekömmliche Alternative zur natürlichen Nahrung dar, passieren den Verdauungstrakt schneller und führen zu einem geringeren Sättigungsgefühl als besonders proteinreiche Köder. So kann man den Fressreiz aufrechterhalten, ohne den Fisch zu „überfüttern“ – besonders bei warmem Wasser ein Vorteil. Der Karpfen kommt somit öfter zu unserem Futterplatz und nimmt mehr Köder auf!
So funktioniert die Karpfen-Verdauung
- Karpfen besitzen keinen Magen – die Verdauung erfolgt vollständig im Darmtrakt.
- Harte Nahrung wird im Schlundrachenraum durch sogenannte Pharyngealzähne (Schlundzähne) mechanisch zermalmt.
- Die Verdauung übernimmt eine Mischung aus Enzymen:
o Proteasen (für Eiweiße)
o Amylasen (für Kohlenhydrate)
o Lipasen (für Fette) - Die Resorption der Nährstoffe findet über die Darmwand statt.
- Temperaturabhängig: Die Enzymaktivität ist stark von der Wassertemperatur abhängig. Im Winter ist der Stoffwechsel deutlich verlangsamt
Futtermenge, der Spot und was andere Angler einbringen
Das nächste Thema, das ich beleuchten möchte, ist die richtige Futtermenge und die Frage: Wie lange befüttere ich denselben Spot – und was bringen eigentlich andere Angler ins Gewässer ein (sofern man das weiß)?
Wer einen Langzeitfutterplatz aufbauen will, muss dieses Thema ganz anders betrachten als jemand, der im Angelurlaub mit minimalem Futtereinsatz arbeitet oder gezielt „Fallen stellt“. Beide Herangehensweisen haben ihre Berechtigung – aber sie erfordern unterschiedliche Strategien.

Proteine als Reizfaktor
Eines ist für mich klar: Wenn es darum geht, schnell Aufmerksamkeit zu erzeugen und Fische auf den Platz zu ziehen, setze ich auf einen hohen Proteingehalt – egal ob pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Die Attraktivität ist in meinen Augen definitiv höher als bei klassischen Kohlenhydrat-Boilies.
Gerade im Hochsommer, wenn das Wasser sehr warm ist und das natürliche Nahrungsangebot im Gewässer hoch ist, verwende ich bewusst stark proteinbetonte Köder wie unseren Liver Extreme oder Ciric Milk Boilie. Beide haben eine hohe Lockwirkung und liefern dem Fisch auch einen echten Nähr- und Mehrwert.
Tipp: In der warmen Jahreszeit setze ich diese Boilies gezielt zum Fallenstellen ein – meist mit nur einem halben Kilo zusätzlichem Futter.
Wenn viele Mitesser im Gewässer sind (z. B. Brassen), mische ich bewusst Kohlenhydrat-Boilies dazu, um den Futterbedarf zu decken, ohne den Karpfen zu überfüttern.
Langzeitfutterstrategie ab 12 °C

Einen Langzeitfutterplatz beginne ich in der Regel ab einer Wassertemperatur von etwa 12 °C. Von diesem Zeitpunkt an bis in den späten Herbst füttere ich regelmäßig – meist drei Mal pro Woche mit jeweils 2 bis 4 kg Boilies. Die genaue Zusammensetzung des Futters passe ich dabei individuell an:
• Grundlage ist mein Fangerfolg: Ich versuche, drei Mal zu füttern und einmal angeln zu gehen je Woche.
• Kontrolle mit der Unterwasserkamera: Wird das Futter überhaupt gefressen?
• Anpassung nach Temperatur und Naturfutter: Je nach Jahreszeit und natürlichem Nahrungsaufkommen verändere ich das Verhältnis von protein- zu kohlenhydrathaltigen Boilies.
• Fische zwei Ruten am selben Spot – eine mit einem kohlenhydrathaltigen und eine mit einem proteinhaltigen Hakenköder. So kannst du feststellen, welcher Köder zu welcher Jahreszeit und bei welcher Wassertemperatur die besseren Ergebnisse bringt. Diese Ergebnisse können jedoch von Gewässer zu Gewässer unterschiedlich ausfallen. Entscheidende Faktoren dabei sind unter anderem das natürliche Nahrungsaufkommen und der Weißfischbestand.
Kohlenhydrat vs. Protein – was bringt was?
Biologischer Hintergrund:
• Fischmehlboilies (z. B. aus LT-Fischmehl, Blutplasma oder Geflügelproteinen) liefern essentielle Aminosäuren – der Karpfen wächst schneller, baut Reserven auf.
• Kohlenhydrat-Boilies (Maismehl, Weizen, Grieß) geben schnelle Energie, sättigen nicht sofort, und regen das permanente Fressverhalten an – ideal bei Futterkonkurrenz und hoher Frequenz.
Kann eine Boilie-Range das ganze Jahr über funktionieren?
Diese Frage stellt sich wohl jeder ambitionierte Karpfenangler früher oder später. Und die Antwort lautet für mich ganz klar: Ja! Viele unserer Ranges funktionieren das ganze Jahr über – der Schlüssel zum Erfolg liegt in der richtigen Dosierung und in der Anpassung an die jeweilige Situation.
Ein Beispiel:
Im Hochsommer, bei Wassertemperaturen über 23 °C, ist der Stoffwechsel der Karpfen besonders aktiv. Wenn ich in dieser Phase allerdings große Mengen eines proteinreichen Boilies wie unserem Liver Extreme einbringe, kann das schnell zu einem Sättigungsgefühl führen – ähnlich wie bei uns Menschen, wenn wir uns beim Essen übernehmen. Der Fisch wird träge und kehrt unter Umständen nicht so schnell an den Spot zurück.
Viel effektiver ist es in solchen Fällen, eine ausgewogene Mischung zu füttern – zum Beispiel 90 % WC20 (unser Kohlenhydratboilie) in Kombination mit 10 % Liver Extreme. Diese Mischung ist leicht verdaulich, bekömmlich und bietet dem Karpfen trotzdem einen ernährungsphysiologischen Mehrwert. Die Folge: regelmäßiges Fressen, aktives Verhalten und oft auch Fressrausch-Phasen, die sich in der Bissfrequenz deutlich


Tipp: Beobachte die Reaktion der Fische bei unterschiedlichen Temperaturen auf verschiedene Boilie-Kombinationen – so kannst du gezielt steuern, wie lange sich Karpfen an deinem Spot aufhalten.
Und wie sieht es im Winter aus – macht ein Kohlenhydratboilie dann überhaupt Sinn?

Auch hier lautet die Antwort: Ja – wenn er richtig aufgebaut ist!
Unser WC20 etwa vereint hochverdauliche Kohlenhydrate mit einem ausgewogenen Verhältnis an Fetten, Hefe und hochwertigen Ölen. Dadurch bleibt er auch bei kalten Wassertemperaturen extrem attraktiv, weil er schnell wirkt und trotzdem leicht verdaulich ist – ideal für die träge Winterphase, in der der Fisch nur selektiv und sparsam frisst.
Info: Winterfutter
• Weniger ist mehr – Karpfen fressen im Winter nur kleine Mengen
• Lösliche Attraktoren & schnell verdauliche Komponenten sind entscheidend
• Fett- und Hefekomponenten können auch bei kaltem Wasser Lockwirkung erzeugen
Futteranpassung nach Jahreszeit
- Frühjahr: Wenig natürliches Futter, langsam steigender Stoffwechsel → hoher Proteinanteil sinnvoll.
- Sommer: Viel Naturfutter, hohe Stoffwechselrate → Futtermenge erhöhen + Hauptsätzlich Kohlenhydrat Boilies und geringer anteil von Proteien Boilies.
- Herbst: Energiespeicherung beim Karpfen → größere Futtermengen, Kombination aus Protein und Kohlenhydraten.
Fazit: Nachhaltiges Angeln – Qualität vor Quantität
Beim modernen Karpfenangeln geht es längst nicht mehr nur um das „Ob“, sondern vielmehr um das „Wie“. Wer nachhaltig und effizient angeln will, sollte auf weniger, aber hochwertiges Futter setzen. Boilies mit guter Bindung, ohne billige Füllstoffe, sind schonender für den Verdauungstrakt der Fische und belasten das Gewässer deutlich weniger. Gleichzeitig fördern sie das natürliche Wachstum und unterstützen ein gesundes Fischbestandsmanagement.
Einen „perfekten Sommerköder“ gibt es nicht – zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle:
• Im Frühsommer sind proteinhaltige Boilies sinnvoll, da sie die Fische bei der Regeneration nach dem Laichen unterstützen.
• Bei hohen Temperaturen und starkem Naturfuttervorkommen ist es effizient, auf leicht verdauliche Kohlenhydrat-Boilies zu setzen – ergänzt mit einem gezielten Anteil hochwertiger Proteinköder.
• Immer gilt: Bestand, Gewässertyp und Jahreszeit müssen in die Futterstrategie einbezogen werden.

Denn letztlich sucht sich der Karpfen genau das, was ihm den größten Nutzen bringt – als Angler kannst du ihn dabei gezielt unterstützen. Beobachte, lerne, passe dich an: Wer flexibel bleibt, profitiert langfristig – mit mehr Fängen, gesünderen und stärkeren Fischen und einem stabilen Gewässerökosystem.


